Anschlussinhaber kann wegen Filesharings haftbar sein, wenn er ihm bekannte Anschrift des mutmaßlichen Veranlassers nicht benennt.

LG Hannover, Urteil vom 22.12.2015 – 18 S 60/15

Anschlussinhaber kann wegen Filesharings haftbar sein, wenn er ihm bekannte Anschrift des mutmaßlichen Veranlassers nicht benennt.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 05.06.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 350,00 EUR nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2012 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11,82 EUR nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.07.2014 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag über 500,00 EUR nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 400,00 EUR ab dem 18.02.2012 und auf 100,00 EUR ab dem 18.07.2014 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Auf die tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist im vollen Umfang begründet.

Die Klägerin kann die Beklagte gem. § 97 Abs. 2 UrhG auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Über den Internetanschluss der Beklagten ist am 23.10.2011 unstreitig das Computerspiel „[Name]“ zum Download über eine Filesharing Software angeboten worden. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn über seinen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen wird. Diese Vermutung greift nicht ein, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen den Anschluss benutzen konnten (vgl. BGH Urteil vom 08.01.2014, 1ZR 169/12 „BearShare“). In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses allerdings eine sekundäre Darlegungslast, der er dadurch genügt, dass er vorträgt, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (a.a.O. Rdz. 18 mwN). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (a.a.O.).

Diesen Anforderungen ist die Beklagte auch auf eine Auflage der Kammer (BL.136 R.d.A.) hin nicht nachgekommen. Die Beklagte hat in I. Instanz Folgendes vorgetragen:

„Die Beklagte betrieb bis Mai 2014 in ihrem Hause, wo auch der Internetanschluss gelegt war, eine Erziehungsstelle. Es waren bei ihr durch die Jugendbehörden Jugendliche dauerhaft oder zeitweise untergebracht.

Inzwischen hat die Beklagte ermitteln können, dass ein seinerzeit in der Einrichtung „[Name]“ untergebrachter Jugendlicher Namens [Name] vor einigen Jahren etwas aus dem Netz heruntergeladen hat. Dies wird der Beklagten von der Klägerin offenbar nunmehr zur Last gelegt.

Der jugendliche Täter, [Name], wohnt inzwischen wieder bei seinen leiblichen Eltern. Die Wiederholung dieser Vorfälle ist deswegen vollständig ausgeschlossen.“

Nach der Abweisung der Klage durch das Amtsgericht unter Ablehnung der Anträge der Klägerin auf Parteivernehmung der Beklagten sowie auf Zeugenvernehmung des von der Beklagten benannten Jugendlichen hat die Kammer gem. § 273 ZPO die Ladung des Zeugen [Name] angeordnet und als voraussichtliches Beweisthema angegeben: „Hat der Zeuge das Computerspiel „[Name]“ im Oktober 2011 über den Internetanschluss der Beklagten angeboten?“. Der Beklagten ist ferner aufgegeben worden, die ladungsfähige Anschrift des oben genannten Zeugen binnen 3 Wochen mitzuteilen. Hierzu hat die Beklagte lediglich ausgeführt, „dass ihr diese Anschrift nicht bekannt ist und sie diese bisher auch nicht in Erfahrung bringen konnte“ (vgl. Schriftsatz vom 26.11.2015, BI. 176 d. A.). Die Beklagte hat in keiner Weise dargestellt, ob bzw. welche Nachforschungen sie bezüglich der Anschrift angestellt hat. Das ist nicht nachzuvollziehen, weil die Beklagte selbst in erster Instanz angegeben hatte, der Jugendliche wohne wieder bei seinen Eltern. Da ihr dies bekannt war, hätte sie deren Anschrift mitteilen können und müssen. Selbst wenn diese nicht aktuell bekannt war, hätte sie diese zumindest über das Jugendamt ohne weiteres in Erfahrung bringen können.

Damit ist die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht ausreichend nachgekommen. Die Benennung einer im vorliegenden Fall nicht einmal zum Familienkreis der Beklagten gehörenden genannten Person ohne Wohnanschrift, bei der weder die Klägerin noch das Gericht in der Lage ist, auch nur deren Existenz zu überprüfen, reicht nicht aus. Es wäre der Beklagten möglich und zumutbar gewesen, die Anschrift in Erfahrung zu bringen und mitzuteilen (s.o.).

Der Beklagten war keine Erklärungsfrist zuzubilligen, um weitere Nachforschungen anzustellen. Der Beklagten ist bereits mit der Übermittlung der Berufungsschrift und der Terminsladung zum 19.10.2015 die o.g. Auflage erteilt worden. Aus der Auflage ergab sich – in Umsetzung der o.g. Entscheidung des Bundesgerichtshofs – auch für die Beklagte zweifelsfrei, dass aus Sicht der Kammer die Entscheidung des Rechtsstreits von der Vernehmung des Zeugen abhing und die Kammer davon ausginge, dass ihr im Rahmen der sekundären Darlegungslast die Mitteilung der Anschrift oblag.

Da die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist, bleibt es bei der Vermutung ihrer Täterschaft infolge der Rechtsverletzung über ihren Internetanschluss. Sie hat daher daher gern. § 97 Abs. 2 UrhG für den Schaden der Klägerin einzustehen, deren Rechte durch das Download-Angebot verletzt worden sind. Die Klägerin kann einen von der Kammer gern, § 287 ZPO auf 500,00 EUR geschätzten lizenzanalogen – Schadensersatz verlangen, weil das Computerspiel in zeitlicher Nähe zur Erstveröffentlichung zum Download angeboten worden ist.

Ferner kann die Klägerin für die Abmahnung und das damit verbundene Unterlassungsverlangen Rechtsanwaltsgebühren mindestens in Höhe des verlangten Betrages beanspruchen. Es mag letztlich dahinstehen, ob der insoweit von der Klägerin angesetzte Gegenstandswert von 22.500,00 EUR angemessen ist, da sie nur ein Betrag von 350,00 EUR geltend macht, der bei der hier anzusetzenden 1,3/10-Gebühr gem. § 13 RVG, VV 2300 bereits bei einem zumindest angemessenen Gegenstandswert in Höhe von 5.000,00 EUR bereits deutlich überschritten wird.

Darüber hinaus kann die Klägerin die anteiligen Kosten des infolge des Verstoßes erforderlichen Auskunftsverfahrens gem. § 101 Abs. 9 UrhG verlangen, die sie zutreffend mit 11,82 EUR berechnet hat (vgl. wegen der Berechnung BI. 11, 12 d. A.).

Die Zinsansprüche der Klägerin ergeben sich aus §§ 284, 286 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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